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Debutroman:
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"Im selben Moment, als er seinen Brustkorb von ihr hob und das Messer zum Saum des Oberteils bewegte, um es von unten nach oben zu zerschneiden, zog Molly ihren Schädel nach hinten und traf ihn mit ihrem Hinterkopf am Kinn. Er schrie auf, ob vor Schmerz oder vor Wut, konnte man kaum erkennen, fiel wie ein Stein zur Seite und von ihr herunter, und hielt sich jaulend sein blutendes Kinn. Molly hatte sich innerhalb weniger Sekunden umständlich aufgerappelt und rannte Richtung Klippen. Noch nie hatten sie einen Menschen so rennen sehen. Als würde jeder Muskel, jeder Knochen plötzlich verstehen, wozu er gebraucht wurde, als wäre sie kein Mensch mehr, sondern Wild, das früh morgens von einem Schuss aus dem Feld gerissen worden war, die Arme immer noch hinter dem Rücken gefesselt. Sie strauchelte, fing sich immer wieder, rannte weiter, blickte nicht zurück. 

Die Jungs blieben stehen, zu überrascht von all dem, was passiert war, zu ängstlich wegen dem, was noch passieren könnte. Die Luft flirrte in der Hitze der Sonne und die Vorahnung waberte wie dickflüssiger Honig in ihren Köpfen umher. Sie waren unfähig zu denken, unfähig zu handeln, unfähig zu helfen. Nur einer sagte etwas, lachte dann dumpf, ließ seinen Mund offen stehen.

Er war innerhalb von Sekunden wieder auf den Beinen. Die Anderen konnte ihn hören, wie er ihren Namen rief, wie er schnaufend hinter ihr her donnerte, sie einholte – viel zu schnell – und sich wieder auf sie warf. Sie konnten sehen, wie er vergeblich nach seinem Messer griff, das er vermutlich beim Sprinten verloren hatte, wie er seinen Kopf hektisch hin und her bewegte, auf der Suche nach Etwas. Wie Mollys Körper vom Kampf und den Schmerzen geschüttelt wurde, wie er etwas – einen Stein? -  vom Boden aufhob und es auf ihren Schädel schlug. Dreimal.

Und als die Jungs nach Minuten - vielleicht auch Stunden - der Stille und des Atmens näherkamen, konnten sie das Blut riechen, das warm und feucht über die Klippen kroch, wie der Honig, der langsam aus ihren Köpfen in die Realität zu sickern drohte.

„Ist sie tot?“, fragte jemand nach einer Weile. 

„Natürlich nicht!“, rief er verärgert und deutete dann auf Mollys Brustkorb, der sich langsam aber stetig hob und senkte, genau wie seiner."

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